Das Wort Tante-Emma-Laden steht für Kindheitserinnerungen und zaubert vielen Menschen ein Lächeln ins Gesicht. Mit neuen Konzepten und einem ausgezeichneten Kundenservice schließen Tante-Emma-Läden im 21. Jahrhundert Lücken in der Nahversorgung und werden zu zentralen sozialen Anlaufstellen in Dörfern und Stadtvierteln. Eine große Rolle für den Erfolg spielen Umwelt- und Klimaschutzaspekte. Kleine Krämerladen punkten durch kurze Wege und führen in ihrem Sortiment regionale Produkte.
Renaissance kleiner Ladengeschäfte
Die Renaissance vom Aussterben bedrohter Tante-Emma-Läden zeigt, dass sich Kunden nach Werten wie Regionalität, Nachhaltigkeit, Verlässlichkeit und Nähe sehnen. Kleine Ladengeschäfte mit weniger als 400 Quadratmetern Verkaufsfläche setzen in einer schnelllebigen, digitalen Welt einen bewussten Gegenpol zum unpersönlichen Online-Shopping und der Marktmacht von Discountern. Kleine Krämerladen bieten ein überschaubares Sortiment ausgesuchter – oft regional hergestellter – Produkte.
Das Angebot deckt wichtige Aspekte des täglichen Lebens – wie Nahrungsaufnahme, Schule und Unterhaltung. Wer seinen Einkauf in einem Tante-Emma-Laden tätigt, kann neben Brot, Käse, Wurst, Milch, Joghurt, Mehl, Zucker und Eiern nicht selten auch die aktuellste Ausgabe seiner Lieblingszeitschrift und einen neuen Malblock für sein schulpflichtiges Kind in seinen Einkaufskorb packen.
Lokal einkaufen und auf das Auto verzichten
Große Supermärkte und Discounter siedeln sich bevorzugt in Industriegebieten sowie vor dem Ortseingang auf der grünen Wiese an – in weiter Entfernung von Wohngebieten. Für ältere, in ihrer Mobilität eingeschränkte Kunden sind Tante-Emma-Läden in ihrem Dorf oder Stadtviertel ein Segen. Sie fungieren als soziale Treffpunkte, in denen sich Bewohner auf einen kleinen Plausch treffen und Neuigkeiten austauschen. Jüngere Kunden entscheiden sich bewusst dafür, im Tante-Emma-Laden zu kaufen.
Im Fokus stehen Umwelt- und Klimaschutzaspekte. Wer seinen täglichen Bedarf an Lebensmitteln in fußläufiger Entfernung deckt, kann auf das Auto verzichten, bläst nicht unnötig CO2 in die Luft und hält seinen ökologischen Fußabdruck klein.
Bedarf erkennen und Eigeninitiative ergreifen
Unternehmer, die sich dafür entscheiden, ein kleines Ladengeschäft zu eröffnen, weiterzuführen oder wiederzubeleben, gehen finanzielle Risiken ein. Gemeinden und Stadtviertel, die die Notwendigkeit eines Tante-Emma-Ladens sehen und keinen wagemutigen privaten Geschäftsgründer finden, haben die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden. Ein Beispiel ist die Initiative der baden-württembergischen Gemeinde Jagsthausen im Landkreis Heilbronn, die in dem Artikel „Tante-Emma-Laden: Und er lohnt sich doch!“ umfassend porträtiert wird.
Gegründet als Genossenschaft, mit einem normalen Lebensmittelangebot und als sozialer Mittelpunkt des Ortes lockt der dorfeigene Laden rund 600 Kunden am Tag – eine Erfolgsgeschichte. Dem gegenüber stehen eine große Anzahl an Neugründungen, die zu geringe Umsätze erwirtschaften und mit Schließungen enden.
Chancen-Risiken-Analyse und durchdachter Businessplan
Genossenschaften, Vereine und Privatpersonen, die den Schritt wagen und einen Tante-Emma-Laden eröffnen, benötigen einen durchdachten Businessplan. Professionelle – zum Teil durch die Bundesländer geförderte – Beratungsangebote ermöglichen es verantwortlichen Personen in Zusammenarbeit mit Experten Chancen und Risiken zu ermitteln. Im Fokus stehen:
- die wirtschaftliche Tragfähigkeit inklusive monatlicher Fixkosten und laufender Kosten – v. a. Energieversorgungskosten
- Fördermöglichkeiten durch staatliche Programme und über Modellvorhaben
- Unterstützungsmöglichkeiten durch Gemeinde und Stadt – z. B. durch vergünstigte Mieten
- die Regelung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten
- die voraussichtliche Akzeptanz in der Bevölkerung und zentrale Zielgruppen
Einen umfassenden Überblick über wirtschaftliche Aspekte sowie die Entwicklung existierender Läden über einen längeren Zeitraum liefert die Broschüre des Forschungsobjektes „Dynamik der Nahversorgung in ländlichen Räumen verstehen und gestalten: Impulse für die Praxis.“ des Johann Heinrich von Thünen-Instituts.
Alleinstellungsmerkmale schaffen und Bedürfnisse erfüllen
Kleine Ladengeschäfte müssen sich – um langfristig erfolgreich zu sein – bewusst von großen Konkurrenten abheben. Für die Mehrzahl moderner Krämerladen ist der Lebensmittelverkauf nicht die alleinige Einnahmequelle. Vielfach stehen bei Bürgern – vor einer Neugründung – eine gemütliche Café-Ecke, eine Toto-Lotto-Annahmestelle, ein kleiner Mittagstisch und Postdienstleistungen auf der Wunschliste, die das eigentliche Tante-Emma-Konzept ergänzen. Wer sich als Betreiber nicht vorstellen kann, diese Bedürfnisse zu erfüllen und einen Multifunktionsladen zu führen, läuft Gefahr, zu wenig Akzeptanz zu finden und zu geringe Deckungsbeiträge zu erwirtschaften.
Durch Produktwahl regionales Image betonen
Tante-Emma-Läden übernehmen soziale Funktionen und haben eine emotionale Bedeutung. Der Verkauf von Waren regionaler Produzenten – vom Landmetzger mit eigenem Hof in der Nähe über den Dorfimker bis zum Gemüsegärtner um die Ecke – betont die Nähe und Verbundenheit zur Region. Die Kunden können sich auf die Qualität verlassen, profitieren von saisonalen Angeboten und haben das Gefühl, die lokale Wirtschaft zu stärken. Der Begriff Heimat ist für viele Menschen mit tiefen Emotionen verbunden und dadurch ein zentraler Aspekt in der Marketingstrategie kleiner Ladengeschäfte.
Nutzung moderner Technologien
Wie jeder große Supermarkt und Discounter ist auch der Tante-Emma-Laden vor Ort gezwungen, Werbung zu machen. Kleine Ladengeschäfte, die ein gutes Online-Marketing betreiben, punkten durch mehr Sichtbarkeit und Reichweite. Durch zusätzliche Services – wie Online-Bestellung mit Abholung im Laden und Lieferung. Stichwort Disruption: den Einzelhandel verändernde Technologien – wie 24-Stunden-Automaten vor dem Geschäft – sprechen Personenkreise an, die während der Öffnungszeiten nicht einkaufen können. Jeder Einkauf, der teil- und voll-automatisiert getätigt wird, spart wertvolle Arbeitszeit und Personalkosten.
Erfolgsgeheimnis – individuelle Konzepte entwickeln
Jeder moderne Tante-Emma-Laden bietet ein individuelles Konzept und unterschiedliche Vermarktungsschwerpunkte. Aus vielen Einzelbausteinen ergeben sich für dörfliche und städtische Standorte tragfähige Geschäftsmodelle, mit denen Gewinne erwirtschaftet werden können. Die Nutzung der Möglichkeiten der Digitalisierung und modernster Technologien bietet kleinen Ladengeschäften die Möglichkeit, neue Zielgruppen anzusprechen, Betriebskosten zu senken sowie die Sichtbarkeit und Reichweite nachhaltig zu steigern. Umwelt- und Klimaschutzaspekte, das Angebot regionaler Produkte und die Nähe zu den Verbrauchern sind wesentliche Erfolgsfaktoren innovativer Krämerladen.